Ingrid Katharina Kilfitt wurde 1940 kurz nach Kriegsbeginn in München geboren. Der Vater, Friedrich-Wilhelm Kilfitt, übernahm kurz darauf in Dresden eine Fleischereimaschinen-Fabrik, wurde deshalb nicht zur Wehrmacht eingezogen, mußte jedoch bei der Bombardierung Dresdens kurz vor Kriegsende 1945 die völlige Vernichtung von Haus und Unternehmen erfahren.
Seine Frau konnte mit Töchterchen Ingrid Tage später dem Inferno entfliehen. Das wohlbehütete Kind erlebte Flucht, Todesangst, Hunger, Kälte und sterbende Kinder … sie verlor die Sprache, erfuhr in Lagern die Hilfsbereitschaft der amerikanischen Besatzung und durchlief die ersten Schuljahre in einem Allgäuer Kinderheim. Mit der Erfahrung des Singens und der Entdeckung ihrer Musikalität kam die Sprache zurück.
1948 und 49 durfte sie sich „zuhause“ in Dresden in der dort unter Pseudonym weitergeführten Waldorfschule voll entfalten. Nach außen jedoch waren der Freiheit in der kommunistischen „Ostzone“ sehr enge Grenzen gesetzt – gymnasiale Schulausbildung war „Kapitalistenkindern“ verwehrt.
Mit 9 Jahren entschied sie sich für den Abschied von zuhause und ging allein auf eine Allgäuer Internats-Schule. Nachdem schließlich auch der Vater unter dem Druck des sozialistischen Regimes alle Wiederaufbauarbeiten hinwarf und 1953 in den Westen flüchtete, war die Familie wieder vereint. Ingrid war stolz neben der Schule mit Handarbeiten Kleingeld für die Bekleidung ihrer jüngeren Schwester zu verdienen, zeichnete und fotografierte mit einer Agfa-Clack ihre Schulkameraden, zehn Pfennig das Bild.
Für den Vater war der verspätete Einstieg in das Wirtschaftswunder sehr schwer. Seiner großen Tochter Ingrid verweigerte er das Stipendiats-Studium für Sozialpädagogik und Musik – sie sollte besser handfest zu arbeiten lernen.
Ingrid erkämpfte sich einen begehrten Ausbildungsplatz bei Anton Sahm, Europa’s erstem und namhaftesten Porträtfotografen – der Beginn einer wunderbaren und prägenden Zeit in München – Anton Sahm war Lehrmeister, Vorbild-Vater und Musikfreund. Abends belegte Ingrid an der Volkshochschule, was sie nicht studieren durfte. Am Samstagabend trainierte sie im Tanzclub des angesehenen Gesellschaftsclubs GSC und sonntags wurde schon für erste „Kunden“ fotografiert.
Nach der Ausbildung folgten zwei Jahre Auslandserfahrung in allen Teilen der Schweiz. 1963 wurde Ingrid Münchens jüngste Meisterin, mit besonderer Auszeichnung der Stadt. Zur Finanzierung der Meisterprüfung und des angestrebten eigenen Ateliers arbeitete sie halbtags in der wissenschaftlichen Fotografie der Münchner Universitäts-Kliniken. Mit ihrem eigenen Atelier etablierte ingrid kilfitt meisterstudio für fotografie sich schnell in Münchens guter Gesellschaft und setzte sich in wenigen Jahren an die Spitze europäischer Porträtfotografen.

Auf dem Karrierehöhepunkt erfüllte sie sich ihren sehnlichen Familienwunsch und bekam ihre zwei Wunschkinder, Sohn Klaus und Tochter Ines. Da sie den Erfolg zuvor gut ausgebaut hatte, konnte sie jetzt leicht die Interessen der Kinder an die erste Stelle setzen, sich ihre Kunden aussuchen und alles Unnötige zurückstellen. Dazu links und grün engagiert, wollte sie ihre Ideale auch leben, den Kindern freies Denken, Entwicklung ihrer Individualität und ihrer Musikalität in ihren Wurzeln verankern. Dafür war ihr nichts zuviel – die fotografischen Ausarbeitungszeiten wurden in die Nacht verlegt, alles, von Aufnahmen bis zum Haushalt war genau zeitlich organisiert.
Die Energie im Kopf reichte immer, die im Körper öfter nicht mehr. „Stehauf-Weiberl“ nannte sie ihr Mann. Später sollte sich das noch oft bestätigen. Nach der Scheidung blieben beide Kinder bei ihr. Alleinerziehend mußte wieder mehr Geld verdient werden – glücklicherweise hatte sie ihren beruflichen Erfolg gut erhalten und weiterentwickelt, denn Waldorf-Erziehung und musikalische Förderung der Kinder waren nur mit dieser finanziellen Grundlage möglich.
Den Traum der „Großfamilie“ erfüllte sie sich und ihren Kindern durch ihren neuen Lebenspartner und späteren Ehemann: ein Architekt mit gleichen Interessen – selbst Vater von vier Kindern.
Eine sehr lebensintensive Zeit begann, die Fotografie mußte jetzt etwas zurückstehen. Voller sozialer Zukunftsziele und inmitten all der Arbeit begann sie die eigenen Grundlagen aufzuzehren, hatte vor lauter Überengagement kaum Zeit und Ohren für warnende Stimmen; Kunden die nicht auf Termine warten wollten, gingen verloren. Aber die Kinder konnten sich selbstbewußt entfalten und die Eltern wollten ihnen nicht nur gute Wurzeln, sondern auch Flügel geben.
Mutter Ingrid hat dabei wenig auf sich selbst oder irgendwelche Absicherungen für sich geachtet. Die Einnahmen reichten für ein bescheidenes, aber erfülltes Leben mit viel Musik, Kultur, Natur, vielen Freunden und sozialem Engagement (Christopherus-Verein München).
Nach der Trennung von ihrem zweiten Lebenspartner, verstärkte sich auch der berufliche Gegenwind. Zu den Kundenverlusten der letzten Jahre kam die allmähliche Veränderung der Fotografie durch den Beginn der Digitalisierung. Mit dieser würde ihre Porträtqualität nicht auf ihrem Niveau zu halten sein; sie ahnte, sich vorzeitig aus dem geliebten Beruf zurückziehen zu müssen.
Den Kopf hängen zu lassen, oder in den Sand zu stecken war nicht ihr Ding. Es galt ein weiteres, tragendes Standbein aufzubauen, sich auf Grundbegabungen und -ziele zu besinnen, neue Wege und Seniorenchancen zu verbinden. Und so fand Sie zu ihrem ursprünglichen Studienwunsch der Kinder- und Jugendarbeit zurück.
Nach dem Flüggewerden aller Kinder, begleitete sie lange Zeit eine anthroposophische Arztfamilie als Erzieherin. Für die Fotografie blieb die Hälfte der Woche und das Wochenende.
Kurz vor ihrem 50. Geburtstag realisierte sie ihren Traum vom naturgemäßen Leben und baute sich gemeinsam mit ihrem dritten Ehepartner ein biologisch vollwertiges Haus mit Naturgarten im nördlichen Chiemgau, offen für Kinder, Enkelkinder, Kunden und Musiker.
Die zunehmende Digitalisierung in der Fotografie zwang immer mehr zum Rückzug aus dem so geliebten schöpferischen Berufsfeld, dem sie dennoch, mit vielen neu hinzu gewonnenen und ihren treuen, geduldig auf Termine wartenden Stammkunden, für die sie bis heute ihre besonderen Porträts erschafft, treu geblieben ist.
Zusätzlich ist sie Erzieherin geworden, die sie im Herzen immer war, mit vielen Wahlverwandten, Kindern, Enkeln und Leih-Enkeln. Ein Leben voller Arbeit und Einsatz, Erfolg und Verlust. Ein Leben voller Leben …