Editorial

Während ich diese Zeilen zu Papier bringe, sitze ich relaxt und satt, nach einem vorzüglichen zweiten Frühstück – Nachmittags um 2 Uhr, also für Ibiza völlig normal – am Yachthafen ‚Marina Botafoch‘.
Ein paar Meter vor mir liegt eine 20m-Yacht unter deutscher Flagge am Kai – davor parken ein schwarzer 911er Turbo und ein silberner Z8 mit Berliner Kennzeichen.
"Die spinnen die Deutschen..." denke ich mir, und frage mich gerade, wie verrückt man wohl sein muß, sich mit solchen Edelkarossen durch Ibizas Schlaglöcher zu quälen, da rollt unter lauten Dröhnen ein Ferrari Testarossa mit ibizenkischem Kennzeichen auf den Pier. Der Fahrer, ein höchstens 20-jähriger, spanischer Adonis, quetscht die Edelkarosse zwischen einen völlig verbeulten Seat und einen Jeep, der vermutlich noch aus dem letzten Krieg stammt, und schlendert dann lässig zum Nebentisch.
„"Genau das ist es...“, schießt es mir durch den Kopf – „"...genau das macht Ibiza aus.“ Diese ständigen Gegensätze geben dieser Insel ihren unverwechselbaren Charakter, ihren liebenswerten Charme:
Harte Handarbeit auf den Feldern im Inselinneren, wo der Esel noch ein gängiges Transportmittel ist – demonstratives Relaxen an Bord der millionenteuren Superyachten in den Häfen entlang der Küste. Dort die alte Bäuerin, trotz tropischen Temperaturen „vermummt“ in der typisch-ibizenkischen Tracht – hier die nur noch mit 3 cm2 Stoff bekleidete Strandnixe.
Sphärenklänge und Marihuana-Schwaden auf der einen – hämmernder Techno und Extasy auf der anderen Seite. Neben der Edelboutique in Dalt Vila mit ihren sauteuren Accessoires, ein Wäscheständer mit Herrenunterhosen, drumherum 5 lärmende Kinder und im Schatten darunter drei Katzen. Und auf einem Mäuerchen in San Miguel philosophieren zwei gestylte Models mit einem leicht entrückten Alt-Hippie über den Sinn des Lebens ...
Szenen, wie man sie hier tagtäglich an jeder Ecke beobachten kann. Scheinbare Widersprüche auf engstem Raum, und vor allem – und das ist das Wunderbare – bei absoluter Harmonie.
Die Ibizenkos sind das wohl toleranteste Volk, das ich jemals kennenlernen durfte – und diese Eigenschaft scheint sich auf die Gäste ihrer Insel zu übertragen.
Auch diese scheinen bei ihrem Besuch die Gegensätze zu suchen: Ruhe, Entspannung, manche gar Transzendenz einerseits – Party und Ekstase andererseits – und alle werden hier fündig.

Viele grundverschiedene Puzzleteile, vereint zu einem einzigartigen Gesamtbild – könnte ich das in dieser Perfektion auch von meinem Lebenswerk behaupten, ich wäre wohl der glücklichste Mensch auf Erden !

Klaus Kilfitt