Die natürliche Entstehung der Balearen

Auf vielen Bergen und an einigen Steilküsten Ibizas gibt es eine Fülle
von Versteinerungen, z.B. Ammoniten und Belemniten (Donnerkeile), die zu
ihren Lebzeiten vor über hundert Millionen Jahren durch tropische Meere schwammen.
Die Naturgeschichte Ibizas beginnt also nicht erst vor 15 Millionen Jahren, als die Inseln
das letzte mal aus dem Meer auftauchten, sondern sehr viel früher: vor ca. 223 Millionen
Jahren – denn so alt sind die ältesten Gesteine Ibizas.
Zu dieser Zeit – dem Beginn der mittleren Trias-Periode – bedeckte ein großes Meer das
heutige Gebiet der Balearen, das sogenannte ‚Mesogeische Meer‘ oder die ‚Thetys‘ – erheblich
größer als das heutige Mittelmeer. Nördlich davon gab es ein altes Gebirge, das ‚Katalanische
Massiv‘, das Wind und Wasser allmählich abtrugen. Die dabei freiwerdenden Gesteinsmassen,
Mineralien und Schlicke wurden ins Meer gespült und geweht, sanken auf den Meeresgrund und
bildeten so, gemeinsam mit den Resten von Meerestieren, die Gesteine, aus denen später die
ältesten Gesteinsschichten Ibizas wurden.

Als sich die Kontinentalplatten Afrikas und Eurasiens aufeinander zubewegten, führte der Druck
in der Erdkruste dazu, daß diese Gesteinsschichten sich falteten. Das war vor etwa 65 Millionen
Jahren. So entstand ein Gebirgszug, der sich von der südspanischen Atlantikküste bis zum heutigen
Mallorca erstreckte: die ‚Betische Kordillere‘. Ein Teil davon ist Ibiza. Weitere Bewegungen
in der Erdkruste bewirkten immer wieder neue Faltungen, Überschiebungen und Einbrüche, Felskanten
brachen ab und versanken wieder im Meer, während andere Teile stehenblieben und schroff aufragten.
Besonders an der felsigen Nordküste Ibizas und den vorgelagerten Inseln, wie der Isla Vedra und
Tagomago, kann man das noch heute gut sehen.
Ibiza war im Lauf seiner Geschichte manchmal Teil hoher Gebirge (und in dieser Zeit der Verwitterung
ausgesetzt), dann versank es wieder. Jedes Mal, wenn die Inseln wieder vom Meer bedeckt waren, wurde
natürlich alles Landleben vernichtet.

Vor 15 Millionen Jahren, in der Tertiär-Zeit, tauchten in einer neuen Faltungsphase die Pityusen das
vorerst letzte mal auf. Damit begann die Geschichte des Lebens, welches wir heute auf den Inseln
vorfinden. Winde, Insekten und Vögel brachten eine Vielzahl von Samen vom europäischen und afrikanischen
Festland und von den Nachbarinseln auf die Pityusen. Reptilien, Lurche und kleine Säugetiere wurden
auf Treibholz angeschwemmt. Die Tiere und Pflanzen suchten sich in den verschiedenen Höhenzonen und
vielfältigen Landschaftsformen passende Lebensräume, breiteten sich aus oder wurden von Neuankömmlingen verdrängt.
Im Zuge der neueren Auffaltungen wurden die Verbindungen des Mittelmeers zum Indischen Ozean und
später auch zum Atlantik unterbrochen: das Mittelmeer trocknete allmählich aus. Vor etwa 6 Millionen
Jahren waren Ibiza und Formentera zusammen ein Gebirge, das 4000 m aus einer weiten Wüste von
Salzablagerungen und Salzsümpfen (dem ehemaligen Meeresboden) aufragte. In dieser Zeit gab es also
Landverbindungen nach Afrika und Europa.

Es ist heute nicht mehr nachzuweisen, welche Tiere und Pflanzen schon damals auf dem Landwege Ibiza
erreichten. Aber nachgewiesen wurde, daß sich damals die Höhenstufung der Vegetationszonen verschob,
so daß sich auf Ibiza auch Hochgebirgsflora ansiedeln konnte. Dann, vor etwa 5 Millionen Jahren,
brach der natürliche Damm bei Gibraltar, der bisher die Wassermassen des Atlantik vom ausgetrockneten
Mittelmeerbecken getrennt hatte. Mit einer jährlichen Wassermenge, die dem Tausendfachen der
Niagarafälle entsprach, ergoß sich das Wasser ins Mittelmeer. Trotzdem waren immerhin rund 100
Jahre nötig, bis das Becken gefüllt und Mittelmeer in seiner heutigen Form entstanden war. Von diesem
Zeitpunkt an waren die Pityusen endgültig vom Festland isolierte Inseln, die begannen, ihre eigene
Flora und Fauna zu entwickeln.
Allerdings haben sich die Erscheinungsformen Ibizas und Formenteras seitdem sehr geändert. Vor etwa 2
Millionen Jahre begann nämlich die Quartär-Zeit mit ihren Eiszeiten und Zwischeneiszeiten. Zwar gab es
niemals Gletscher im Mittelmeergebiet, aber die Klimaschwankungen hatten dennoch weitreichende Folgen.

Warme und kalte, extrem trockene und sehr regenreiche Perioden wechselten einander ab. Die Höhe des
Meeresspiegels schwankte um mehrere 100 m. Manchmal waren Ibiza, Formentera und die vorgelagerten
Inseln zu einer großen Insel verbunden. Manchmal waren weite Gebiete der Inseln überflutet. Die
zeitweilig sintflutartigen Regenfälle trugen die höheren Berge ab, rundeten die Hügel, gruben
tiefe Schluchten, formten die Betten felsiger Gebirgsbäche, bildeten mächtige Flüsse und ausgedehnte
Binnenseen und füllten die Täler mit Erd- und Geröllablagerungen. All das formte die Pityusen so, wie
wir sie heute kennen.
Das flache, fruchtbare Tal zwischen San Lorenzo und Santa Eulalia entstand in dieser Zeit – damals

war es von einem breiten Strom ausgefüllt. Die ebenfalls sehr fruchtbaren Hochebenen von Santa Ines,
die jetzt vor allem zum Mandelanbau genutzt werden, waren früher Hochtäler – gefüllt mit Binnenseen
ohne Abfluß. An ihrem Grund lagerte sich das von den umliegenden Bergen abgetragene Gestein ab. Die
ehemals grauen Felsen wurden zu Erde zerrieben und färbten sich durch das in ihnen enthaltene Eisen
rot: Die berühmte rote Erde Ibizas entstand. Auch die Schluchten, tief eingeschnittenen Meeresbuchten,
Geröllfelder und ausgetrocknete Bachbetten, denen wir überall in den bergigen Regionen Ibizas begegnen,
sind ein Ergebnis der regenreichen Vergangenheit der Pityusen.
Aber die Bewegungen der Erdkruste waren noch immer nicht abgeschlossen: manche Gebiete, wie La Mola
auf Formentera und der Nordwesten Ibizas,
hoben sich und stiegen zum Teil 100 m aus dem Meer.
An anderen Stellen wurde der sandige Meeresboden
angehoben oder durch den sinkenden Meeresspiegel
freigelegt, Sandbänke entwickelten sich zu einem Teil
der Hauptinsel, und der Wind türmte Dünen auf – so im
Süden Ibizas und im Westteil Formenteras. Gleichzeitig
nagte die Meeresbrandung an Felsenküsten und vertiefte
die Buchten.
Auf diese Weise entstand im Laufe der Jahrtausende
die einzigartig vielfältige Küste Ibizas.